JURYBEGRÜNDUNG – KATEGORIE: LEBENSWERK
Im Zentrum ihrer Arbeit war stets der gesellschaftliche Zusammenhalt. Als Ausländerbeauftragte des Berliner Senats hat sie 22 Jahre lang das Vertrauen ihrer Mitmenschen gewonnen. Sie hat sich stets für die Vielfalt eingesetzt und sich nicht gescheut, auch in unangenehmen Kontexten aufrichtig für eben diese Vielfalt sich einzusetzen. Sie hat den Opfern von Diskriminierung eine Stimme gegeben, dies zuletzt als Ombudsfrau für die Opfer des Nationalsozialistischen Untergrunds.
Eine wohlwollende Ratgeberin, eine ehrliche Ansprechpartnerin – eine Person, von der man sich sicher ist, dass sie nur Gutes im Sinn hat und nicht instrumentalisiert.
Sie hat sich stets für eine Atmosphäre der Vielfalt eingesetzt und ist mit gutem Beispiel vorangegangen. Sie haben nicht „über“ Menschen gesprochen, sondern stets mit ihnen – Dialog auf Augenhöhe. Ihr Lebenswerk ist Beweis und Hoffnung für ein vielfältiges, friedvolles Miteinander.
LAUDATIO FÜR PROF. DR. BARBARA JOHN
Sehr geehrte Damen und Herren,
Liebe Frau Barbara John,
es ist mir eine große Ehre heute hier einige Worte für Sie zu sprechen, wobei ich mir sicher bin, Ihnen und Ihrer Lebensleistung in dieser kurzen Zeit nicht ganz gerecht werden zu können.
Wo kann man anfangen? Bei ihrer Arbeit als Ausländerbeauftragte des Landes Berlin? Eine Stelle, die zum ersten Mal in einem Bundesland erschaffen wurde und die Sie 20 Jahre unter verschiedenen Regierungen geführt haben? Ihre Tätigkeit an den vielen Universitäten, Ihre Mitarbeit in den vielen Kuratorien und Beiräten? Ihre Tätigkeit als Ombudsfrau für die Hinterbliebenen der NSU-Opfer? Welches aktuell wieder an gesellschaftlicher Bedeutung zunimmt? Oder die vielen Auszeichnungen, die Sie für Ihre vielfältige Arbeit für unsere Gesellschaft erhalten haben und zu denen sich heute Abend eine Weitere, nämlich das Deutsche Dialogpreis, gesellen wird?
Wie schon die Berühmte Autorin und Psychotherapeutin Elisabeth Lukas sagte „Worauf es ankommt, das sind nie die Bedingungen, die man vorfindet, sondern das ist stets das Lebenswerk, das man daraus gemacht hat.“
Liebe Frau John dieser Spruch ist für Sie sehr zutreffend. Ich habe Sie immer als ein Mensch wahrgenommen die offen, zugänglich, eloquent, weise und hilfsbereit mit Rat und Tat jedem zur Seite steht.
Sie haben aus den Bedingungen, die Sie vorgefunden haben, immer versucht das Beste für die Betroffenen aber auch für die Gesellschaft als ganzes zu erreichen.
Als ich meine Arbeit 2009 in Berlin aufnahm, wurde mir fast von jedem der mich herzlichst Willkommen hieß nachdrücklich empfohlen mit ihnen in Verbindung zu treten. Mir wurde von ihrer Unterstützung unserer Bildungsarbeit erzählt. Nach über 10 Jahren eigener Erfahrung und Beobachtung weiß ich wie wichtig ihre moralische Unterstützung für unser Engagement für Bildung und für das friedliche Zusammenleben war und ist. Sie haben uns auch in sehr schwierigen Zeiten mit Ihren Worten Mut gegeben. In schwierigen Gründungsphasen und bedrohlichen Krisensituationen waren Sie stets da und wir konnten immer Rat bei Ihnen einholen. Mein herzliches Dankeschön im Namen auch all derjenigen, die heute nicht dabei sind.
Eine Anekdote zum Ende: Als der Autor Zafer Özcan mich im Jahr 2011 ansprach und mir mitteilte, dass er zum 50-jährigen Jubiläum des Anwerbeabkommens zwischen Deutschland und der Türkei ein Buch mit dem Titel „Göctürkler / Wandertürken“ schreiben und neben weiteren 49 Personen hierfür auch mich interviewen wolle, hatte ich diesem Vorhaben zugestimmt. Nach unserem Interview sagte Herr Özcan, dass er gerne neben den 50 türkisch stämmigen auch einen einheimischen Experten oder Persönlichkeit des öffentlichen Lebens interviewen möchte, um in seinem Buch die Sicht der Mehrheitsgesellschaft auf die Situation der Türken in Deutschland zu haben. Daraufhin schlug ich ihm Sie, Frau John, als Interviewpartnerin vor. Sie waren die beste Wahl zu dieser komplexen Thematik. Jedoch war die Zeit sehr knapp. Herr Özcan hatte 2 Tage bis zu seiner Rückreise und es lag das Wochenende vor uns. Als ich bei Ihnen, Frau John, anfragte sagten Sie ohne zu zögern sofort zu und wir trafen uns am nächsten Tag (an einem Sonntagmittag) in einem Café in Schöneberg und Herr Özcan führte das Interview mit Ihnen.
Diese Haltung die Dinge lösungsorientiert und zielgerichtet anzugehen, die Sie über Jahrzehnte beibehalten haben, machte Sie für alle Migrantengruppen in Berlin zu einer vertrauenswürdigen Brückenbauerin in allen Richtungen. Jeder der es einmal mit Ihnen zu tun hatte weiß, dass auf Sie Verlass ist.
Man kann im Laufe seines Lebens viele wichtige Ämter innehaben, Karriere in Politik und Wissenschaft machen und Ruhm erlangen, so dass dann andere auf jemanden hinaufschauen. Viele verlieren in diesem stressigen Lebensverlauf jedoch die Bodenständigkeit und wichtige Merkmale, wie die eben genannte Vertrauenswürdigkeit. Sie Frau John haben es geschafft beide Eigenschaften zu behalten und genau das ist die eigentliche vorbildliche Lebensleistung. Ich wünsche Ihnen noch viele viele Jahre in bester Gesundheit.
Es ist mir eine Ehre Ihnen, für Ihr Lebenswerk den deutschen Dialogpreis überreichen zu dürfen.
Irfan Kumru, Vorstandsvorsitzender des Berliner Schul-Trägervereins Tüdesb und des Verbandes für Gesellschaftliches Engagement e.V. (Laudatio: Prof. Dr. Barbara John)