Prof. Dr. Ahmad Milad Karimi

Prof. Dr. Ahmad Milad Karimi

JURYBEGRÜNDUNG – KATEGORIE: WISSENSCHAFT&BILDUNG

Prof. Dr. Karimi ist ein Wegbegleiter des Dialogs, der sich der Wichtigkeit der Begegnung bewusst ist. Er hat den interreligiösen Dialog insbesondere in der Spiritualität geprägt, und hat seinen Mitmenschen bewiesen, dass es im Dialog wichtig ist, nicht nur das Verbindende zu thematisieren, sondern auch das Trennende, um sich näher zu kommen – um gemeinsam den Pfad des Dialog beschreiten zu können.

Durch seine Erfahrung hat Prof. Dr. Karimi Andere dazu inspiriert, mit offenem Herzen ihr Gegenüber zu betrachten und die einzigartige Erfahrung des aufrichtigen Dialogs zu erleben.

„Sich im Herzen des Anderen zu begegnen“ – Dank seiner Arbeit konnten viele Menschen, die sich dem Dialog gewidmet haben, eine tiefere Bindung zu ihren DialogpartnerInnen aufbauen.

LAUDATIO FÜR PROF. DR. AHMAD MILAD KARIMI

Mit Prof. Milad Karimi wird eine Persönlichkeit ausgezeichnet, die auf unverwechselbare Weise drei Dimensionen in sich vereinigt. Er ist ein origineller philosophisch-theologischer Kopf, ein bekennender Muslim und der Repräsentant einer neuen, jungen Generation von akademisch arbeitenden muslimischen Wissenschaftlern, die erstmals in der Geschichte der deutschen Universität die uralten islamischen Überlieferungen mit der Lebenswelt des 21. Jahrhunderts zu vermitteln haben. Erst 40 Jahre jung, hat Prof. Karimi, 1979 in Kabul geboren, und 1994 mit seiner Familie nach Deutschland gekommen, u.a. in Freiburg Philosophie und Islamwissenschaften studiert und diese seine Studien mit einer Promotion über die deutschen Philosophen Hegel und Heidegger gekrönt: 2012. Seither redet er nicht bloss vom Dialog, sondern lebt ihn, praktiziert ihn und zwar in vielfältigen Formen: den Dialog zwischen Philosophie und Theologie, zwischen Christen und Muslimen und zwischen der islamischen Tradition und der modernen Lebenswelt. Dieser Mann kann ebenso geistreich über die „Dekonstruktion des religiösen Denkens im Islam“ (angekündigt für 2020) schreiben wie über „Osama bin Laden schläft bei den Fischen. Warum ich gerne Muslim bin und wieso Marlon Brando viel damit zu tun hat“ (2013).

Dabei weiss er: Basis jedes Dialogs ist die Ur-Kunde. Grund dafür, dass Karimi 2009 eine eigene, deutschsprachige Koranübersetzung vorgelegt hat, die sich von anderen vor allem unterscheidet durch die Achtsamkeit auf die ästhetisch-poetische Formensprache des koranischen Textes. Karimi gehört zu den Koranforschern, die begriffen haben, dass die koranischen Suren poetisch geformt sind und gar nicht angemessen verstanden werden können, ohne Erschliessung ihrer Bilderwelten, ihrer Klangräume, ihrer Rhythmen und Reime, ihrer diskursiven und dialogischen Struktur. So macht er auch nichtmuslimischen Adressaten bewusst, dass der Koran von seinem Ursprung und Selbstverständnis her weniger ein Lese- als ein Hörerlebnis ist. Laut vor-getragen, rezitiert werden will.  Wer das besser verstehen will, lese Karimis schönes Koran-Lesebuch: „Die Blumen des Koran. Die Poesie Gottes“ (2015).

Milad Karimi ist ein vielgefragter und unermüdlich tätiger Vermittler zeitgenössischer islamischer Diskurse nicht nur an wissenschaftliche Spezialisten, sondern an ein allgemeines  Publikum, bitter nötig in einem Land wie dem unsrigen, in dem das Bild „des Islam“ auf angst-und aggressionsbesetzte Klischees reduziert ist. Vielfach habe ich es selber erlebt, wie auf diesen Mann alles abgeladen wird, was man in der deutschen Öffentlichkeit von „dem“ Islam hält. Dann kann man ihn erleben, wie  er sich der „schrecklichen Vereinfacher“ erwehrt und mit Witz, Charme und guten Argumenten für ein differenziertes Bild des islamischen Glaubens kämpft. So tritt er auch als Partner im islamisch-christlichen Dialog auf. Mit einer unverwechselbaren Mischung aus Selbstbewusstsein und Selbstkritik. Dankbar erinnere ich mich an mehrere gemeinsame Tagungen zum Verhältnis von Bibel und Koran und an die wechselseitige Wertschätzung für das, was wir voneinander haben lernen können. Zum Beispiel dies: „Der Islam kann sich ohne die bleibende Bezogenheit zum Christentum und Judentum kaum selbst verstehen … Der islamische Weg ist von Grund auf ein Weg, der nicht ohne das Christentum und auch nicht ohne das Judentum auskommen kann“. Das macht in Karimis Sicht den Dialog für Muslime nicht nur sinnvoll, sondern geradezu  zur „inneren Notwendigkeit“.

Was hält sein Werk zusammen? Wer ihn mit Feuer und Geist seinen islamischen Glauben erklären sieht, spürt sehr rasch: Es ist Gottesleidenschaft., die diesen Mann umtreibt. Leidenschaft im doppelten Sinn des Wortes: Leiden am Missbrauch des Wortes Gott, an der Schändung des Gottesnamens durch politische Instrumentalisierung bis hin zu himmelschreienden Gewaltexzessen. Wie ein vergifteter Strom zieht sich diese blasphemische Schändung durch die Geschichte der Religionen und erzeugt tagtäglich neue Schreckensmeldungen. Karimi kennt das alles und er leidet darunter wie ungezählte glaubende Menschen überall auf der Welt, die mit ansehen müssen, welch Schindluder mit „ihrer“ Religion getrieben wird. Aber zugleich ergreift diesen Mann in der Tradition islamischer Mystik auch die Liebe zu Gott in der Schönheit seiner Schöpfung und seiner Selbstoffenbarung in der Formensprache des Koran. Durch sein Werk und besser noch: durch persönliche Begegnungen lernt man ihn kennen: als intellektuellen Mystiker und mystischen Intellektuellen, der die Gottesliebe mit der Kälte philosophischer Rationalität zu verbinden versteht. Ein Dialektiker von hohen Graden, der Sprachkritik um der Unverfügbarkeit Gottes willen treibt. Man lese sein Buch „Warum es Gott nicht gibt und der doch ist“ (2018) und man wird verstehen: Er ist  ein scharfer Religionskritiker, weil er die Unerschöpflichkeit von Gottes Wort gegen alle fundamentalistischen Versuchungen gewahrt wissen will, entsprechend dem Koranwort: „Wäre alles, was auf der Erde an Bäumen, Schreibrohre und wenn das Meer, nachdem es erschöpft,  noch sieben weitere Meere dazubekäme, würden nicht die Worte meines Herrn zu Ende gehen. Wahrlich, Gott ist der unübertrefflich Erhabene. Der Weise“ (Sure 31, 27). In der Tat: „In jedem Klang des Koran“, kann man bei Karimi lesen, „ist Gott gegenwärtig, das Unbegreifliche.“

In diesem Geist dürfen wir noch viel von diesem „jungen Mann“ erwarten – inshallah selbstverständlich. Der heute auch an Milad Karimi verliehene Dialogpreis ist hochverdiente Anerkennung des Bisherigen und Ansporn für  Künftiges zugleich. Auch ich gratuliere.

Prof. Dr. Karl-Josef Kuschel, Vorsitzender des Kuratoriums der Gesellschaft Freunde Abrahams, Präsident der Int. Hermann Hesse Gesellschaft und Mitglied im Stiftungsrat zur Vergabe des jährlichen Friedenspreises des Deutschen Buchhandels (Laudatio: Prof. Dr. Ahmad Milad Karimi)